Den öffentlichen Dienst im Blick

05.12.2024

Zahlen, Daten, Fakten zur Beschäftigung im öffentlichen Dienst

Die deutsche Wirtschaft steuert im laufenden Jahr 2024 erneut auf einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu. Alle Wirtschaftsforschungsinstitute melden einen Rückgang von 0 bis -0,2 Prozent. Für 2025 sei aber wieder mit einem Wachstum zwischen 0,7 und 1,1 Prozent zu rechnen.

Ursachen für die schwache Entwicklung sind sinkende Zahlen beim privaten Konsum und bei Exporten ins Ausland. Obwohl die Einkommen nach Reallohnverlusten durch die Inflation wieder steigen, wird weniger ausgegeben.

Der geplante Bundeshaushalt für 2025 droht die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte weiter zu verschlechtern. Dringende Investitionsbedarfe in soziale Erziehung, Bildung, Pflege und physische Infrastruktur, ÖPNV, Bahn, Brücken, Autobahn und Wasserstraßen sind gefährdet. Vorerst ist unklar, ob der Haushalt vor den Neuwahlen verabschiedet oder andere geplante Entscheidungen noch getroffen werden.

 
Infografik Konjunkturentwicklung in Deutschland
Infografik Inflationsraten in Deutschland

Vorsichtige Entwarnung bei der Inflation

Bevor 2021 starke Preissteigerungen einsetzten, lag die Inflationsrate meist deutlich unter zwei Prozent – dem Ziel, das auch die Europäische Zentralbank anstrebt. 2015, 2016 und 2020 lag sie sogar bei nur 0,5 Prozent. Damals führten auch niedrigere Tarifabschlüsse für die Beschäftigten zu einem Reallohnzuwachs.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizierten für dieses Jahr eine Inflationsrate von 2,2 bis 2,3 Prozent und rund zwei Prozent auch für die kommenden beiden Jahre. Im September 2024 stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar nur um 1,6 Prozent, im Oktober aber wieder um 2,0 Prozent. Der Preisanstieg hat sich verlangsamt, da die Energiepreise gesunken sind. 

In anderen Bereichen liegt die Inflationsrate weiterhin über zwei Prozent. Manche Güter oder Dienstleistungen wiesen im September gegenüber dem Vorjahresmonat noch immer zweistellige Preissteigerungen auf: Olivenöl (+29,6), Butter (+29,3), Schokolade (+11,9), Gurken (+55,0), private KFZ-Versicherung (26,1).

 

Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst

Die Jahre vor 2021 waren für die Tarifarbeit im öffentlichen Dienst erfolgreich. Der Tariflohn konnte mit der Entwicklung in der Gesamtwirtschaft mithalten. Im Vergleich zu der Entwicklung seit 2000 ist allerdings weiterhin ein Abstand geblieben, dies zeigt die Analyse des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung.

 
WSI Tarifarchiv

Die Tarifvergütungen im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen sind seit 2000 um 72 Prozent gestiegen. In der Gesamtwirtschaft dagegen um 76,7 Prozent und in einzelnen Branchen der Privatwirtschaft sogar um bis zu 83,2 Prozent (Chemische Industrie). Die Berechnungen basieren auf dem jährlichen Anstieg der Tarifverdienste, einschließlich Pauschal- und Einmalzahlungen.

Die Einkommensrückstände zur Privatwirtschaft sind ein Grund, warum der öffentliche Dienst gegenüber privaten Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte häufig den Kürzeren zieht. Außertarifliche Zulagen zur Gewinnung und Bindung von qualifizierten Fachkräften sind im öffentlichen Dienst keine Ausnahme mehr.

Bei der Betrachtung der jüngeren Entwicklung zeigt sich ein etwas anders Bild. Seit dem Jahr 2015 sind die Tariflöhne in der Gesamtwirtschaft um 24,9 Prozent gestiegen. Der öffentliche Dienst bei Bund und Kommunen hat demgegenüber mit 25,2 Prozent leicht die Nase vorn. Mit einem Plus von 23,7 bzw. 21,6 liegen Chemische bzw. Metall-industrie nun unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.

Auch wenn Arbeitgebende und wirtschaftsnahe Ökonom*innen gerne dieses Argument nutzen: angesichts der schwachen konjunkturellen Entwicklung und Problemen der Automobil- und Zulieferindustrien wäre es keine gute Idee, sich in „Lohnzurückhaltung“ zu üben und damit die Konjunktur weiter zu schwächen.

 
Tarifentwicklung in einzelnen Branchen 2024

Steigende Löhne bringen die Wirtschaft voran

In der aktuellen Tarif- und Besoldungsrunde verhandelt ver.di für fast 2,7 Millionen Tarifbeschäftigte von Bund, Kommunen und kommunalen Unternehmen im öffentlichen Dienst. Das sind fast 15 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur.

Ein großer Teil ihres Gehalts geben sie für Güter und Dienstleistungen aus, die in Deutschland produziert werden, und hierzulande Beschäftigung und Einkommen schaffen. Das schafft Wachstum, auch weil Unternehmen nur dann mehr investieren, wenn sie höhere Umsätze erwarten. Lohnsteigerungen und gute Bedingungen bei öffentlichen Arbeitgebern tragen dazu bei, die unbesetzten Stellen in den Verwaltungen und öffentlichen Betrieben endlich wieder zu besetzen.

Unbegründet ist hingegen die Sorge, dass steigende Löhne dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden könnten. Noch immer erzielt die hiesige Wirtschaft enorme Exportüberschüsse: 2023 waren es 224 Milliarden Euro. Das Ausland kauft also für deutlich mehr Geld Waren bei uns ein, als wir dies umgekehrt im Ausland tun. Der Export trägt nur deshalb nicht zur Stabilisierung der Konjunktur bei, weil der Überschuss nicht noch weiter steigt. Von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit wegen hoher Lohnkosten kann angesichts dessen nicht die Rede sein.

 

Steuereinnahmen und öffentliche Haushalte

In den Jahren vor Beginn der Corona-Krise nahmen Bund, Länder und Gemeinden deutlich mehr ein, als sie ausgaben. So kamen Rekordüberschüsse von 50 und 60 Mil-liarden Euro zustande. Auch die Kommunen erzielten Überschüsse, sogar noch in den Corona-Jahren, obwohl sie davon ausgingen, ins Defizit zu rutschen. Die Unterstüt-zungszahlungen von Bund und Ländern glichen die hohen Ausgaben für die Pandemie und die Folgen des Krieges in der Ukraine zunächst noch aus.

2023 sind die kommunalen Haushalte ins Defizit gerutscht. Für 2024 und die folgenden Jahre befürchten die kommunalen Spitzenverbände erneut hohe Defizite von jährlich 13 Milliarden Euro und mehr. Berücksichtigt sind dabei zurückgehende Zuwächse bei den Personalausgaben: für 2023 und 2024 ist ein Anstieg bei den Personalausgaben von 7,4 bzw. 7,8 Prozent veranschlagt; in den folgenden Jahren soll der Zuwachs von 5,5 Prozent 2025 über 4,5 auf 3,4 Prozent im Jahr 2027 sinken.

Die Steuereinnahmen sind nach dem Corona-Einbruch wieder kräftig gestiegen, zu-nächst sogar stärker, als erwartet. Mit dem Konjunkturrückgang wurde auch die Ein-nahmeentwicklung bei den Steuern schwächer. 2023 und 2024 stiegen die Steuerein-nahmen nur noch um 2,2 bzw. 2,8 Prozent. Für die kommenden Jahre wird laut der Steuerschätzung vom Oktober 2024 ein Zuwachs von jeweils rund vier Prozent erwartet. Die Kommunen verzeichnen dabei in diesen Jahren ein schwächeres Einnahmewachstum im Umfang von knapp drei Milliarden Euro. Sie sind von der Korrektur der Schätzung also nicht ganz so stark betroffen.

Öffentliche Arbeitgeber setzen Personalausgaben im öffentlichen Dienst gerne in Konkurrenz zu notwendigen Investitionen. Auch für kommunale Arbeitgeber gilt: Bund und Länder können durch ein Aussetzen oder Umgehen der Schuldenbremse den Kommunen ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung stellen. Staatsschulden sind nicht grundsätzlich schädlich.

Wenn die Wirtschaft sich stabilisiert, wird die Schuldenlast automatisch leichter und gelingt es, aus den Schulden wieder herauszuwachsen – wie nach der Krise von 2009/2010. Es war 2009 eine politische Entscheidung, die Schuldenbreme – gegen den Widerstand der Gewerkschaften – ins Grundgesetz aufzunehmen. Ebenso ist es eine politische Entscheidung, sie wieder abzuschaffen oder zumindest zu lockern.

Wenn dafür keine politischen Mehrheiten zustande kommen, rechtfertigt die aktuelle Situation allemal ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse durch Feststellung einer Haushaltsnotlage. Gerade würde es hart treffen, wenn der Staat jetzt nicht in die Zukunft investiert. Zusätzliche Spielräume für Investitionen kann außerdem eine gerechtere Steuerpolitik schaffen, die Vermögende und finanzstarke Unternehmen stärker belastet.

 
Steuereinnahmen in Deutschland